Eigentlich hatte ich doch nur – und das auch sehr spontan – angefragt, ob ich unser Buch auf dieser Veranstaltung auf dem Büchertisch auslegen könnte. Das wurde dann auch sofort und super freundlich in die Wege geleitet. Kein langes Hinterfragen oder zig Hürden, die erst einmal genommen werden müssen. Das war wirklich schön. Ich liebe es, wenn Türen auf einem Weg entweder einfach aufgehen oder schon offen sind, wenn ich komme.
Also habe ich ein paar unserer Bücher „Gemeinsam durch Ebbe und Flut“ in die Hand genommen und am Aufbautag zum Zelt gebracht. Einpacken, abgeben und fertig. Dann einfach hoffen, dass jemand ganz interessiert, unter all den anderen Büchern, ausgerechnet unser Buch in die Hände nimmt. Mehr kann man ja bei einem Büchertisch nicht wirklich tun, außer den Sammelband mit einem Eyecatcher zu versehen oder präsent zu sein und aktiv über das Geschenkbuch zu sprechen.
Ein offenes Tor für unser Buch
Als ich dann eigentlich schon wieder gehen wollte, sprach mich eine wunderbare Frau an, die mir schon zu mancher Zeit so manchen Weg geebnet oder ihn zumindest im Hintergrund begleitet hat. Und auch an diesem Tag bearbeitete sie die geöffnete Tür und vergrößerte sie zu einem offenen Tor:
„Wir können dich mit einer Buchvorstellung ins Vorprogramm einer Abendveranstaltung bringen. Hast du Lust? Überleg einfach mal.“
Wow. Was für eine Chance.
Text: “Chosen” – Gewählt
Als der Abend gekommen war, war ich so aufgeregt wie schon lange nicht mehr. Ich hatte noch nie ein Buch vorgestellt oder einen Text vor so vielen Frauen vorgelesen. Der Strom der eintretenden Frauen riss nicht ab und das Zelt wurde immer voller, was mich nicht gerade entspannter machte, aber dennoch freute.
Zuvor hatte ich mir ein paar Mal gesagt:
„Mach keine Show daraus. Erzähl einfach die Entstehungsgeschichte, was schön und herausfordernd war. Erzähl von dem was dir Spaß macht.“
Und das tat ich dann auch, ohne Notizen und mit einigen „Ähms“ gespickt. Einfach ich, wenn ich aufgeregt und nervös bin, weil so viele Augen auf mich gerichtet sind.
Nachdem ich über die Entstehung von “Gemeinsam durch Ebbe und Flut” gesprochen hatte und etwas auf den Inhalt eingegangen war, durfte ich mit einem meiner Texte aus dem Buch abschließen. Ich entschied mich für „Chosen“. Dieser Text handelt von unserer Würde und unserem Wert als Menschen, unabhängig davon was wir tun oder wo wir sind.
Mein Knie hat gezittert, meine Hände haben gekribbelt, meine Stimme war brüchig – und dennoch und trotzdemgalt „Chosen“ auch in diesem Moment für mich und alle Anwesenden im Zelt. Das zu wissen beruhigt einfach sehr.
Danke an das Zelt-Orga-Team
Ich bin super dankbar für diese Möglichkeit und habe mich sehr gefreut, bei euch im Zelt sein zu dürfen. Und weil der Abend unter dem Motto “Dankbarkeit” stand, gilt auch mein Dank für dieses spontane “ins-Programm-Einbauen” euch vom Zelt-Orga-Team, vor allem dir, Jutta, und natürlich auch den fleißigen Frauen vom Büchertisch.
Jetzt ist unser kleines Büchlein auch hier in der Region ein bisschen bekannter und das freut uns alle sehr.
Peter Kohlmann ist ein wichtiger, viel beschäftigter Mann. Er ist immer in Eile, stets auf dem Weg von A nach B. Durchgetaktet wie die Zeiger auf seiner glänzenden Rolex, gleicht er dem Sekundenzeiger, der unaufhörlich am Rennen ist – angetrieben von seinem eigenen Ehrgeiz. Wie die Rädchen seiner Armbanduhr treiben ihn seine Sehnsucht nach Prestige und sein Drang zu den Großen zu gehören Zeit seines Lebens an.
Peter merkt dabei nicht, dass er wie die Zeiger seiner teuren Armbanduhr eigentlich tagtäglich nur im Kreis rennt, fest angepeitscht von seinen großen Ambitionen.
Wie soll er es auch merken, wenn sich die Followerzahlen rasant vermehren, sich die Umsätze verdoppeln und sein Bürokomplex nun schon um den 14. Stock erweitert wird? Nein, Peter Kohlmann rennt nicht im Kreis. Peter Kohlmann klettert nach oben – und das schnell, eben genauso schnell wie der kleine Sekundenzeiger um die Kurve flitzt.
Wirft man einen Blick in Peter’s Kalender fragt man sich, ob Peter eigentlich auch seinem Sekundenzeiger beweisen möchte, wer hier der Schnellere ist. Denn wenn Peter eine Sache angeht, dann meistens so, dass sein Tempo ihn manchmal sogar selbst überfordert – was er natürlich nie zugeben würde.
Seine maßgefertigten Anzüge lassen jeden schnell wissen, wer da vor ihnen steht und seine auf Hochglanz polierten Wildlederschuhe klackern gleichmäßig im Takt seines inneren Motors. Dabei geben sie automatisch das Tempo für alle in seinem Umfeld vor:
“Ich laufe nur im Highspeed gut”, lautet sein Motto und darauf ist er mächtig stolz. In diesem Tempo hatte er sich viel erarbeitet; es hatte reibungslos funktioniert, sein ausgeklügeltes System – ganz im Sinne seiner Uhr.
Ticktack-Ticktack-Ticktack. Beim Duschen das Meeting vorbereiten. Ticktack-Ticktack-Ticktack. Beim Joggen darüber sinnieren, wie man sich am besten von der Konkurrenz abheben, ihnen gegebenenfalls eins auswischen könnte. Ticktack-Ticktack-Ticktack. Beim Autofahren seiner Sekretärin eine Standpauke halten, weil sie seine Termine durcheinander gebracht hat. Ticktack-Ticktack-Ticktack. Essen gehen und währenddessen Mails checken. Ticktack-Ticktack-Ticktack. Im Kino netzwerken und Visitenkarten verteilen. Ticktack-Ticktack-Ticktack. Sich beim Flirten bereits nach dem nächsten Flirt umsehen. Ticktack-Ticktack-Ticktack.
Peter Kohlmann’s Leben, meine Damen und Herren, ist immer einen Schritt voraus. Die Warnleuchte bezüglich der Überhitzungsgefahr ist deaktiviert, vielleicht sogar ausgebaut, aber in jedem Fall gut versteckt installiert, so dass ein “Vorwärts-Mann” wie Peter sie eigentlich gar nicht wahrnehmen kann. Deswegen gehört er zu der Sorte von Menschen, die nie wirklich präsent, nie so richtig dabei sind, weil sie eigentlich schon wieder woanders sein müssen.
Wie man nur eine Sache so richtig auskostet, eine Mahlzeit von Anfang bis Ende wirklich genießt und in der Zeit mit Freunden so richtig aufblüht, das weiß er nicht. Sich auf nur eine Sache zu begrenzen, sich mit nur einer Aufgabe oder einem Menschen zu beschäftigen würde ihn viel zu sehr beschränken.
“Einem Kohlmann gebührt mehr Platz und den nimmt er sich auch – selbst wenn es nicht ganz angebracht ist.”, das hatte ihn sein Vater gelehrt und dieses Dogma prägt Peter’s Gegenwart auch heute noch, obwohl sein Vater bereits vor vielen Jahren gestorben war.
Umso erstaunlicher, dass Peter heute seiner Patentochter Danielle den Vorrang gibt.
Die Kleine ist aber auch zum Verlieben schnuckelig und weiß wie sie ihren Patenonkel mit ihrem breiten Zahnlückengrinsen um den Finger wickeln kann. Mit ihrem blonden, gelockten Wuschelkopf, dessen Haare sich wie sie selbst von niemandem bändigen lassen, und den blaugrünen, funkelnden Augen, braucht sie nur noch einen frechen Spruch auf den Lippen und schon ist es um ihn geschehen.
Dagegen ziehen seine Taktiken, um sie zufriedenzustellen – im Gegensatz zu all den anderen Frauen in seinem Leben – bei ihr überhaupt nicht.
Ein teures Geschenk? – Sein Flirt rastet euphorisch aus. Danielle lehnt es ab. Ein Trip ins Wellnesshotel? – Seine Affäre kreischt vor Freude. Danielle verdreht nur die Augen und lacht.
Frauen hatte er schon immer als kompliziert empfunden, aber Danielle ist ihm ein absolutes Rätsel, ein unergründliches Mysterium. Naja, und der Umgang mit Kindern ist einfach nicht seine Stärke.
Vielleicht konnte Danielle auf diese Art das Ruder an sich reißen und somit zur stärksten Frau in seinem Leben werden, die es wie heute sogar geschafft hatte, dass er ein wichtiges Meeting verschob, nur um mit ihr aus der Stadt hinaus in die Natur zu fahren. Diese gewiefte Rotzgöre hatte ihn sich einfach geschnappt, ihn richtig fest umarmt und ihn damit bewegungsunfähig gemacht. Dann hatte sie nach seiner Hand gegriffen und ihn aus seinem modernen Glasbau gezerrt. Bis dahin wusste er nicht einmal, wer die Siebenjährige ins Büro gebracht hatte. Auf einmal stand sie eben da, wie bei einem Überfall und stibitzte ihn mit einem sanften Ruck von seinem Schreibtisch weg.
Bei ihrem Anblick – und weil sie ihre großen Kulleraugen einsetzte – und weil er im Büro kein Drama haben wollte – und weil er wie der perfekte Patenonkel aussehen wollte – konnte er sich einfach nicht wehren.
Wie ein echter Kohlmann hatte sie zugeschnappt und gesiegt; vielleicht ließ er sie auch deshalb gewähren.
Jetzt, zusammen mit der Kleinen im Auto, geht es ihm richtig gut. Dieses wohlwollende Werk Danielle gegenüber nährt seine Seele und schafft einen feinen Ausgleich zu dem bestimmenden, ansatzweise brüllenden Verhalten, das er manchmal an den Tag legen muss, um seine Position in der Firma halten und sich den nötigen Respekt verschaffen zu können.
Da sitzt sie, lächelt und lässt singend ihre Lockenmähne auf und ab hüpfen. Wenn Peter Danielle so betrachtet, ist er wirklich froh, ihr Patenonkel zu sein. Ganz frech hat sie sein Herz erobert, obwohl er doch sonst kaum zulässt, große Gefühle für jemanden zu hegen.
Außerhalb der Stadt mit ihrem Lärm und den lieblos aneinandergereihten Zweckgebäuden, blicken die beiden auf das weite Grün der Wiesen, das weitläufig von den bunten Akzenten der Wildblumen gesäumt wird.
An einem Wanderparkplatz in der Nähe der viel befahrenen Bundesstraße halten sie an.
Nach dem Aussteigen schnappt sich Danielle ganz fix die Hand ihres Patenonkels und zieht ihn fröhlich hüpfend hinter sich her.
“Danielle, warte, du weißt doch gar nicht wohin du läufst!”
“Weißt du wohin du läufst?”
“Ich weiß immer wohin ich laufe!”, gibt er barsch zurück. “Ich will nur kurz noch einen Blick auf mein Handy werfen.”
“Du hast heute aber Handyverbot.”, erwidert Danielle mit einem strengen Blick, der dem ihrer Mutter verblüffend ähnlich sieht.
“Bitte was ist los?”, antwortet Peter sichtlich genervt und spürt wie sein Augenlid zuckt, als würde in ihm ein Vulkan brodeln. “Da versucht mir doch glatt eine Zwergin Vorschriften zu machen.”, denkt er bei sich. Voller Selbstbeherrschung entscheidet er sich dazu, seinen Ärger nicht an ihr, sondern am Wiesenboden auszulassen und tritt bei jedem Schritt besonders kräftig auf.
Danielle nimmt das unruhige Stampfen ihres Patenonkels sofort wahr. Sie zupft an seinem Kaschmiranzug und haucht mit zuckersüßer Stimme:
“Der Boden mit den Blumen drin und den Tierchen drauf ist fei kein Sauerkraut.”, und wirft ihm einen vorwurfsvollen Blick zu. Peter schaut empört zurück. So bleiben sie im Blick des Anderen kleben, als würden sie sich gegenseitig die Tür in ihre Welten öffnen, sich mitten ins Foyer ihrer Weltanschauungen führen, die normalerweise Lichtjahre voneinander entfernt liegen. Stumme Fragen schwirren durch die Luft, die sich beide nicht auszusprechen wagen.
Nach ein paar Minuten stillen Wanderns durchbricht Danielle die Wand des Schweigens, die Peter ganz geschwind vor sich nach oben gezogen hatte:
“In deinem großen Bürohaus muss ich immer still sein. Ich soll keinen Spaß haben, ich darf nicht rennen oder kichern. Ich soll immer nur Geist spielen und für alle unsichtbar sein. Jetzt bist du aber draußen bei mir, da wo ich immer bin und du nie. Du bist jetzt mein Gast hier, so wie ich Gast von der Wiese bin, aber ich bin auch eine Freundin von der Wiese. Sie mag mich auch laut. Vom Wald bin ich auch eine Freundin und vom Fluss und von den Tieren natürlich. Wir Freunde haben miteinander gesprochen und wir sagen alle, dass dein Handy hier der Geist sein muss. Und wir sind nett, weil nur das Handy ein Geist sein muss – du nicht.”
Ticketititack-Ticketacktack-Taaahaaack. Peter’s Herz beginnt zu rasen. Ticketuckatacka-Tack. “Was ist hier los?” Ticketacke-TickTick-Tick. Peter blickt auf seine Rolex. Krrruuckrrraaa. Sie steht still. Krrraackrrruuu. Sie läuft rückwärts. Tacktick-Tacktick-Tacktick. Peter blickt sich panisch um. Tacktick-Tacktick-Tacktick. “So kann ich nicht schnell genug sein.” Tacktick-Tacktick-Tacktick Danielle blickt ihn verwundert an. Tacktick-Tacktick-Tacktick “In meiner Welt musst du das auch nicht.”
-Fortsetzung folgt.
Wann kommt die Fortsetzung?
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