Mutig und furchtlos: So kam er im lässigen Schritt angetrottet. Seine Schritte hörte man nicht. Der Sand knirschte zu leise und zu sanft unter seinen Füßen. Also nutzte Pedro seine Stimme, um sich selbst bei allen anzukündigen. Er begann zu singen. In seiner schwarzen Jogginghose kombiniert mit einem dunklen Oberteil, das von glitzernden Pailletten geprägt war, sah er ohnehin auch optisch schon aus wie ein kleiner Superstar. Dazu kam seine Sonnenbrille, die er als passendes Künstleraccessoire geschickt zwischen seinen Fingern umhertanzen ließ. Ja, so zog er die Blicke auf sich und genoss sie sichtlich. „Schaut nur her, was ich so kann.“, das schien er seinem Publikum mitteilen zu wollen. Frei nach diesem Motto stolzierte er mit der ganzen Coolness, die er transportieren konnte den Strand entlang.
Doch in einem kleinen unachtsamen Moment fiel Pedro aus seiner Rolle. Da kam das Kind in ihm zum Vorschein. Ganz unerwartet ließ er seinen Gesang verstummen, bückte sich nach unten und hob ein paar Muscheln und Steinchen auf. Sie hatten seine Aufmerksamkeit erhascht. Von ganz unten auf dem Boden. Unscheinbar, still und klein zogen sie ihn in ihren Bann. Er konnte seinen Blick nicht von ihnen lassen, musste sie aufheben, sie in den Händen halten, sie drehen und begutachten, ihre Oberfläche ertasten und ihre faszinierenden Farbverläufe wahrnehmen.
In diesem Moment realisierte Pedro zum ersten Mal in seinen jungen Jahren, dass er nicht unbedingt laut und schrill sein muss, um gesehen zu werden.
Denn was tun diese kleinen Muscheln zwischen Tausenden von anderen Muscheln schon, um aufzufallen? Wie laut können zierliche Steine schon sein, um sich zwischen ihresgleichen aus der Masse hervorzuheben? So viele Möglichkeiten haben sie ja nicht. Sie können sich nicht anders anziehen; sie können sich von alleine nicht mal an einen anderen Ort schleifen. Sie können sich nur selbst akzeptieren und annehmen, wie sie nun einmal sind. Sie können nichts, rein gar nichts tun, um in irgendjemandes Augen besser dazustehen.
„Wieso habe ich aufgehört, Blicke auf mich selbst ziehen zu wollen, nur um die paar Steinchen und Muscheln anzusehen?“, fragte Pedro sich und empfand es auf einmal viel weniger schlimm, nicht im Mittelpunkt zu stehen und seinen Platz an diese unscheinbaren Winzigkeiten abgegeben zu haben. Er verstand, dass er seine Maske nicht in jedem Moment braucht.
Wenn sogar Muscheln auch ohne Masken, ohne großen Auftritt und in ihrer ganzen Natürlichkeit von ihm als „Meister einer guten Show“ gesehen werden, vielleicht könnten sie ihm dann ein Vorbild dafür sein, auch etwas mehr er selbst zu sein.
Wie ich sie liebe, diese kleinen Geschöpfe mit ihrer herrlichen Farbpracht. Detailverliebte Schönheit strahlt mir entgegen, wenn ich sie betrachte.
Zierliche Beinchen, die doch so viel Kraft haben, um zu tragen, sich zu halten, den Flug mit auszuloten.
Vielfältige Farbschattierungen und Muster, die sich in einzigartiger Weise über die zarten Flügel ziehen, die neben ihrer Zerbrechlichkeit auch gleichzeitig so viel Stärke besitzen, um im Flug zu kraftvollen und eleganten Tänzern zu werden.
Ihr fröhlicher Tanz steckt mich an, bringt mich zum Lächeln, versetzt auch mein Herz in belebte, freudige Stimmung.
Schmetterlinge begeistern mich mit ihrer Wandlungsfähigkeit: Ei – Raupe – Kokon – Falter Die Organe einer Raupe bilden sich im Kokon um, um als Falter weiterleben zu können. Ist das nicht ein faszinierendes Wunder der Natur?
Diese kleinen Flugkünstler sind Meister der Sinne: Sie spüren ihre Geliebten und Nektar mit ihren Fühlern über weite Entfernungen zielsicher auf.
Und dann ist da ihr Fleiß, ihr unbändiger Fleiß: Mit Hilfe ihrer Antennen (so nennt man die Fühler auch, was ich sehr treffend finde) und ihrer kleinen Glubschaugen sind sie von früh bis spät auf Nahrungssuche. Ihrer prunkvollen Farbpracht entsprechend, fliegen sie am liebsten farbenfrohe Gärten, Blumenkästen oder Wiesen mit viel Nektar an. Hier fühlen sie sich wohl, denn hier gibt es eine Vielzahl an Blüten mit schmackhafter Nahrung, Blumen, die bestäubt werden wollen. Kaum gelandet, wird schon fleißig gesaugt und gefuttert, dabei bestäuben Schmetterlinge mit ihrem langen Saugrüssel auch Blüten, die andere Insekten nicht bestäuben können. Röhrenblüten, die bis zu 4 cm tief sind, sind für diese fleißigen Insekten kein Problem. Und dann geht’s ab zur nächsten Blüte.
Und ich, ich bestaune sie dafür, wie sie flink und ehrgeizig, ja instinktiv beschäftigt sind.
Gleichzeitig lassen sie mich aber auch immer wieder an ihrer ruhigen Seite teilhaben. Mitten in ihrem geschäftigen Treiben suchen sie die Sonne auf, lassen sich nieder – meist auf Teer oder Stein. Sie breiten ihre Flügel aus und ruhen, tanken Sonne, tanken Wärme, tanken Kraft. Als würden sie sich zwischen dem warmen Stein und den hellen Sonnenstrahlen in eine wohltuende Decke hüllen.
Ihr buntes Farbgewand schreckt Fressfeinde ab und ihr Instinkt lässt sie wohl wissen, dass all die anderen Blumen, die noch angeflogen werden müssen, auch später noch da sein werden und falls nicht, suchen sich die Falter wohl einfach eine andere Nahrungsquelle. Schmetterlinge brauchen nämlich nicht nur ihr Tun und ihre Bewegung, sie brauchen auch viel Sonne und die Ruhe in ihr, denn wird den Schmetterlingen vor lauter Fliegerei, durch Temperaturschwankungen oder die ununterbrochene Nahrungssuche einmal zu kalt, sterben sie.
Was ich von Schmetterlingen und Faltern lerne
Die letzten Tage und Wochen habe ich sehr viel getan, was eben getan werden musste. Da kam ganz viel auf einmal zusammen und ihr kennt das bestimmt auch alle: Wenn man sich in seiner Wohnung, auf seinem Hof, in seinem Wald, auf seiner Arbeit, in seiner Gemeinde, in seiner Firma umsieht, dann findet man immer etwas, das man tun könnte. Ich auch.
Heute möchte ich aber wie der Schmetterling sein – und das möchte ich eigentlich immer mehr. Ich möchte verspielt sein und aus der puren Lust am Leben tanzen und toben und dann ernst sein, wenn es dran ist. Ich möchte etwas tun und nicht nur dauernd am Chillen sein, aber meine Inseln der Ruhe möchte ich trotzdem nicht vergessen oder vernachlässigen. Ich möchte die Sonne genießen, frei umherschwirren und dabei mit anderen Menschen eine gute Zeit haben.
Denn wenn es schon in der Natur so angelegt ist, dass selbst die Kleinsten und Fleißigsten die Ruhe aufsuchen und sich einfach nur an etwas Schönem, an etwas Wärme erfreuen, ohne Verluste zu erfahren – warum sollte das für mich dann nicht auch funktionieren?
Vielleicht sind wir ja gar nicht nur zum Leisten und zum Geben, sondern auch zum Sein, zum Genießen und für Dankbarkeit gemacht.
Deswegen habe ich mich heute in der Früh an Schmetterlinge erinnert – wie sie sich im Flug verspielt zum Tanz vereinen und in der Sonne träumend die Strahlen genießen – und hab’ mich damit selbstbefreit vom täglichen Tun:
Ich mach’ heute gar nichts, nur Schönes, schon okay, sich auch mal auszuruh’n.
Elena und Vera trafen sich wie immer am Startpunkt ihrer Wanderroute. Normalerweise freute Elena sich auf diese Touren und die Qualitätszeit mit ihrer Freundin. Schließlich war das ihr kleines Ritual, das sie auf besondere Weise miteinander verband. Allerdings machte Elena sich in letzter Zeit mit jeder gemeinsam abgewanderten Route mehr Sorgen um Vera.
Vera war vom Typ her ganz anders als Elena. Nicht so verspielt, dafür umso ehrgeiziger und erfolgsorientiert. Sie träumte von einer großen Karriere, viel Urlaub und davon irgendwann gar nicht mehr arbeiten zu müssen, sondern sich den ganzen Tag bedienen zu lassen.
Deswegen drehten sich die Gespräche zwischen den Freundinnen ganz häufig um die Arbeit. Sogar ihre abenteuerlichen Wanderungen schienen sich von gemeinsamen Erlebnissen und Entdeckungen immer mehr in Richtung “erreichte Ziele” zu entwickeln. Was Elena anfangs noch als lustigen Wettstreit empfand, raubte ihr irgendwann immer mehr Freude am Wandern und der gemeinsamen Zeit.
Als sie diese wöchentlichen Touren vor knapp zwei Jahren begonnen hatten, ging es noch um Bewegung, um Spaß, Schönheit und vor allem um ihre Zeit als Freundinnen. Mittlerweile aber spürte Elena jedes Mal, wenn sie in den See sprang, Vera’s vergleichenden Blick auf ihrem Körper ruhen. Sie bemerkte die immer schmaler werdenden Arme und Beine, die ihre Freundin eine ganze Zeit lang unter großen Klamotten verborgen hatte und jetzt im Sommer regelrecht zur Schau stellte. Während sich die beiden anfangs noch zu gleichen Teilen mit Energie in Form von leckeren Broten, Obst, Gemüse oder kleinen Wandermenüs versorgten, knabberte Vera mittlerweile pro Tagestour nur noch an ein paar Nüsschen. Wenn es gut lief an einem Ei oder einer Banane.
Da war dieser ständige Vergleich, der permanente Druck, der wie eine Wolke über Vera hing und sich nun auch auf ihre Freundschaft zu Elena auswirkte.
Elena verstand das alles nicht so recht. Sie hatte Vera schon immer als hübsch in Erinnerung, auch ohne Sixpack. Die permanenten Vergleiche nervten sie ein bisschen, zumal sie ja gar nicht mit Vera konkurrieren wollte. Alles was Elena wollte, war eine schöne Zeit zu zweit und Spaß beim Wandern. Also nahm sie sich fest vor, Vera auf ihre sorgenbeladenen Gedanken anzusprechen.
Nachdem die beiden sich eingelaufen hatten und der erste Anstieg überwunden war, ließen sie sich kurz zu einer Rast nieder.
“Willst du was von meinen Gemüsepatties?”, fragte Elena und blickte ihre Freundin fröhlich und auffordernd an.
“Nein, ich bin noch satt vom Frühstück.”
Elena schüttelte innerlich traurig den Kopf. Sie grübelte, machte den Mund auf, stockte dann aber und bekam dann doch kein einziges Wort heraus. Sie hatte so viele Gedanken, aber sie in Worte zu fassen, ohne ihrer Freundin zu nahe zu treten, fiel ihr dann doch schwerer als gedacht.
“Ist irgendwas?”, fragte Vera argwöhnisch. Die seltsamen, fischähnlichen Mund-auf-Mund-zu-Bewegungen ihrer Freundin waren ihr nämlich keinesfalls entgangen.
“Naja, ich frage mich manchmal, warum du so viel weniger Energie brauchst als ich.”
“Tja, ich bin halt besser – also mein Stoffwechsel.”, kicherte Vera.
“Weißt du, ich finde, du siehst zur Zeit irgendwie dünner aus. Machst du eine Diät? Also nimmst du gerade ab, oder so?”
Vera machte große Augen und schrie dann beinahe: “Endlich jemand, der es sieht! Die Kollegen haben mich auch gefragt. Aber der, der es sehen soll, der sieht es nicht!!”
Elena wurde das Gespräch irgendwie unangenehm – eigentlich hatte sie sich gewünscht, dass ihr Sorgenberg kleiner werden würde, stattdessen wuchs er jetzt aber an.
“Wer soll es denn sehen?”, fragte Elena vorsichtig.
“Na, mein Chef! Es ist alles zu viel! Er muss doch sehen, dass mir das nicht gut tut, wenn es schon auf meinen Körper umschlägt. Das ist der Stress, sag ich dir.”
“Hast du ihm das gesagt? Dass es zu viel ist?”
“Ja.”
“Und?”
“Ich soll mich besser organisieren.”
“Und wechseln?”
“Echt? Einen Jobwechsel? Findest du, dass ich das machen sollte?”
Elena blickte ihrer Freundin tief in die Augen, aber sie bekam nichts zurück. Keine Resonanz, kein Gefühl, einfach nichts. Als würde sie mit einer leeren Hülle sprechen. Das Leben im Inneren ihrer Freundin war verschwunden – da war nur noch diese immer weiter um sich greifende Leere übrig.
“Ich weiß nicht, ob ein Wechsel gut für dich ist, aber ich weiß, dass du entweder zum Arzt gehen oder wieder mehr essen solltest. Ich mache mir Sorgen um dich.”, sagte Elena mit zitternder Stimme.
Vera knabberte nervös an ihren Fingernägeln und sagte: “So schlimm ist es jetzt auch wieder nicht.”
Aber Elena ließ sich nicht ablenken. Bestimmt und überzeugt, antwortete sie ihr: “Ich werde nachfragen. Ich werde fragen, ob du beim Arzt warst. Ich werde fragen, ob sich deine Balance im Job verbessert hat. Und ab sofort beißt du gefälligst mindestens einmal in mein Brot, wenn du mit mir wandern gehst – und das steigern wir dann!”
Tränen standen in Elena’s Augen, während sie ihre Freundin anblickte, die nur noch ein fahler Schatten ihrer Selbst zu sein schien. Dann stand Vera plötzlich auf, zog Elena unerwartet zu sich nach oben, nahm sie in den Arm und drückte sie so fest an sich, dass Elena kaum Luft bekam.
“Du bist wahrscheinlich die beste Freundin, die ich jemals hatte! Aber weißt du, es ist alles gut. Du musst nicht so aufgewühlt sein. Es ist wirklich nicht so schlimm. Außerdem habe ich ja kein Problem oder so. Mein Chef hat eines. Mit mir ist alles okay. Der Boss muss seinen Shit kapieren. Und wenn du es gesehen hast, dann wird er das auch bald. Du wirst schon sehen, dann ändert er sich und dann wird alles einfacher. Ernsthaft, mach dir keine Sorgen.”
Vera ließ Elena los und spurtete davon. Elena aber weinte bitterlich und schimpfte auf die Selbstoptimierung, den Leistungsdruck, Süchte und auf alles, was ihr sonst noch einfiel. Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend trottete sie Vera hinterher und nahm sich fest vor, mit ihrer Mentorin über diese Situation zu sprechen und nach Hilfe zu fragen.
Film: “Wunderschön” – Filmempfehlung
Vera und Elena, wie in der Kurzgeschichte – Julie, Vicky und Sonja, wie im Film – oder geht es da nicht doch auch irgendwie um uns alle?
Heute zum Weltfrauentag empfehle ich, unbeauftragt und unbezahlt, dafür aus Überzeugung diesen Film. Es sei dazu gesagt, dass er triggern und die sensibleren Menschen unter uns durchaus aufwühlen könnte. Deswegen: Gib gut auf dich selber acht.
Im Film “Wunderschön” geht es um verschiedene Frauen, die auf die ein oder andere Art mit ihrem Selbstbild zu kämpfen haben. Diese Selbstzweifel und Sorgen wirken sich letztlich auch auf ihr Umfeld, ihre Partner, ihre Familien und ihre Jobs aus. Der Film ist auf sehr vielen Ebenen emotional und transportiert gefühlt zig verschiedene Messages, die sich an jede Altersklasse richten und unter der großen Frage: “Fühlst du dich in und mit dir selbst wohl?”, vereint werden.
Es handelt sich dabei nicht um einen Frauenfilm, sondern geht alle Geschlechter gleichermaßen an.
Was mir besonders aufgefallen ist:
Ich werde hier nicht anfangen, Aussagen vorwegzunehmen. Schließlich will ich nicht spoilern. Ich selbst habe aber einen Aspekt, der neben der Kernbotschaft vielleicht nicht jedem auffällt, als besonders wichtig empfunden:
Es ist der Gedanke, dass wir alle keine Inseln sind. Wir Menschen sind auf die ein oder andere Art miteinander verknüpft, sei es sozial, familiär oder im Arbeitskontext. Mir ist aufgefallen, dass die Charaktere selbst wieder zufriedener werden und sich wieder mehr als “gesehen” wahrnehmen, wenn sie ihre eigenen Augen wieder aufmachen. Wenn sie weg von sich selbst und wieder hin zu ihrem Gegenüber blicken, statt nur und permanent zu erwarten und einzufordern, selbst gesehen zu werden.
Der Blick hin zu unserem Gegenüber lässt zu, dass wir auch selbst wieder einen Blick ergattern können und von einem Augenpaar mehr gesehen werden.
Mit diesem Gedanken lasse ich dich nun allein und wünsche dir noch einen schönen Frauentag!
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